Unser komplettes Leben ist von Anfang bis Ende eine einzige Kommunikation. Als Babys weinen, glucksen, brabbeln, giggeln, schlafen wir. Wir erlernen eine Sprache. Als Kinder sind wir ehrlich und unverdorben, wir sagen und tun, was wir denken und wünschen. Neugier und Regungen lassen wir freien Lauf. Später lernen wir uns zu zurückzuhalten, verschweigen unsere Bedürfnisse, verwenden soziale Lügen, um den Frieden nicht zu gefährden.
Honesty Plant (dt: Silbertaler) – Ehrlichkeit, Redlichkeit, Aufrichtigkeit, Rechtschaffenheit
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Inhaltsverzeichnis
Was du nicht änderst, das wählst du
Doch das Einzige, was zu Wachstum führt, ist auf eine liebevolle, wertschätzende Art ehrlich miteinander zu sein. Im Verein, im Job, im Freundeskreis, in der Beziehung. Und vor allem: dir selbst gegenüber.
Dies erfordert Mut und Achtsamkeit. Herauszufinden, was du wirklich-wirklich willst. Was deine tatsächlichen Wünsche in dieser Situation sind. Oft sind wir uns dessen nicht bewusst. Dies braucht Zeit, Geduld und Übung.
Deine Bedürfnisse waren unwichtig
Leider haben wir es nicht gelernt, auf unsere Bedürfnisse zu achten. Ständig gibt es Wichtigeres, Größeres oder Notwendigeres:
- Gute Noten, damit ich ein passables Abi schaffe. Damit ich das begehrte Studium bekomme, damit ich dann den gutbezahlten Job bekomme, damit ich mir das Haus, das Auto und eine Familie leisten kann …
- In der Kirchgemeinde ist es der ökumenische Gottesdienst oder die Evangelisation. Dabei werden Menschen für das Reich Gottes gewonnen. Mega wichtig, die sollen ja nicht in die Hölle kommen.
- Im gemeinnützigen Verein sind es die Mitglieder, die wir unterstützen und stärken wollen.
- In der Familie ist es der Partner oder die Kinder, der Haushalt, die Gäste, die am Wochenende kommen …
Permanent gibt es etwas scheinbar Größeres oder Wichtigeres als mich und meine kleinen Bedürfnisse. Von Kindesbeinen an bekommen wir vermittelt, uns selbst nicht zu ernst zu nehmen.
Mache es den anderen doch nicht so schwer, passe dich doch an, füge dich doch ein. Sei doch kein Spielverderber.
Individualität wird heutzutage hochgehalten. Das heißt nicht, dass wir uns unserer wahren, tiefen Bedürfnisse bewusst sind. Oft meint es nur, uns durch Anderssein abzugrenzen. In Wahrheit ist es nur eine Scheinindividualität, welche dazu dient, uns auszubeuten. Unsere Zeit, unsere Aufmerksamkeit und unser Potenzial als Konsumenten maximal auszunutzen.
Für echte Individualität dagegen ist, z.b. in der Schule, oft keinen Platz, um das große übergeordnete Ziele zu erreichen. Die Stunde ungestört zu beenden, mit dem Stoff durchzukommen, die notwendige Anzahl an Noten zu erreichen.
Wie erkenne ich meine Bedürfnisse?
Indem ich lerne, zur Ruhe zu kommen, konzentriert und ungestört hineinzufühlen. Herauszufinden, was mir wahrhaft guttut, was mich stärkt, was mich ermutigt, was mir hilft, selbstbewusst zu handeln. Das ist schwieriger, als angenommen, denn wir sind in ein großes System eingebunden und kennen es oft nicht anders. Ich benötige Zeit und Ruhe, ich brauche dazu ein Rückzug aus den tausend alltäglichen Notwendigkeiten.
Manchen hilft Yoga, anderen meditieren, ein bewusster Spaziergang, in der Natur unterwegs sein. Umgang mit Tieren, ein heißes Bad, eine Tasse Tee, um zuerst aus dem Alltagsbetrieb auszusteigen und bei mir selbst anzukommen.
Unsicher – was tun?
Wirf eine Münze
Lege fest, welche Wahl für Kopf und welche für Zahl steht. Wirf die Münze, schau auf das Ergebnis und wie du dabei empfindest. Freust du dich? Super. Denkst du »Schade« und hast viele Argumente für den anderen Weg parat, dann wähle diesen. Es geht nicht um den Münzwurf. Dieser Trick hilft dir dabei herauszufinden, was dir wichtiger ist.
Stelle dem Universum eine Frage
Stehe aufrecht und locker, lasse dir Zeit. Stelle dem Universum deine Frage, die sich mit Ja oder Nein beantworten lässt. Beim »Ja« wirst du merken, dass sich dein Körper sanft nach vorn beugt, bei »Nein« nach hinten.
»Nimm«, sagte der Alte und entnahm aus der Mitte des goldenen Brustpanzers einen weißen und einen schwarzen Stein. »Sie heißen Urim und Thummim. Der Schwarze bedeutet ja und der Weiße nein. Wenn du also die Zeichen nicht selber erkennen kannst, werden sie dir nützlich sein. Stelle immer eine objektive Frage. Aber auf jeden Fall ist es besser, wenn du deine Entscheidungen selber fällst.«
Paulo Coelho – Der Alchimist
Die 3-A-Methode zur Bedürfnisanalyse
Aufdecken
- Was fühle ich? (Find ein Wort dafür, z.B.: fröhlich, zufrieden, müde …)
- Was spüre ich (wo) in meinem Körper? (Unruhe, Schmerz, Spannung …)
- Was denke ich?
Ansehen
- Was stört mich, was fehlt mir?
- Was möchte ich?
- Was brauche ich?
Ändern
- Was möchte ich ändern und wie möchte ich es ändern?
- Was kann ich selbst dazu beitragen?
- Was brauche ich dazu von anderen?
So, nun hast du eine Inventur gemacht. Wie fühlst du dich mit dem Ergebnis? Jetzt kommt die wichtigste Frage von allen:
Erlaubst du dir, wütend zu sein? Erlaubst du dir Hilfe zu holen, zum Arzt zu gehen, dir einen Coach zu nehmen? Schwach zu sein?
Fazit
Es mag sich viel anhören. Es ist hilfreich, um den Prozess der Veränderung in Gang zu setzen. Wie wäre es, dich beim ersten Mal dazu hinzusetzen und es aufzuschreiben? Wenn du es oft wiederholst, kommst du in eine gute, förderliche Routine.
Bedürfnisse als Absicht formulieren
Wie du diese Dinge in deinem Alltag umsetzen kannst? Indem du deine klare Absicht formulierst. Nimm dir Zeit am Abend oder am Morgen, um bewusst deine Zielsetzung für den folgenden Tag in Worte zu fassen (am Besten handschriftlich).
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Beispiel:
Ich habe heute einen erfüllten Tag, mit wertschätzenden Gesprächen, mit Spaß und mit Flirts. Aufkommende Herausforderung meistere ich mit Bravour, bei dem heutigen Zahnarzttermin bleibt mein Kreislauf stabil. In dem Gespräch der Chefin bin ich in der Lage, mein Bedürfnis nach fokussierten und unterbrechungsfreiem Arbeiten für mindestens zwei Stunden am Tag so zu formulieren, dass sie es aufnehmen kann.
Der Sex heute Abend ist entspannt, freudvoll, geil, abgefahren …
Bei dem Familientreffen erlebe ich anstelle des üblichen nichtssagenden Gelabers, nette Begegnung und tiefe Gespräche …
Nachdem das Ziel klar ist (Bedürfnisse) und der Weg dorthin (Absicht), ist der nächste Lernprozess in Abständen Ist- und Sollstand immer wieder abzugleichen. Ein kurzes Innehalten im Getriebe des Alltags ist hier gefragt. Durchatmen, auf dich selbst und deine Gefühle fokussieren, kurz zur Ruhe kommen. Ich nenne dies „Stiller Bergsee“.
Also dann, erforsche deine Bedürfnisse
Liebe Grüße dein Coach Henryk